Wertschöpfung durch Wertschätzung
Warum Softskills bei Führungskräften in Zeiten des Fachkräftemangels wichtiger sind als je zuvor.
Dass Wertschätzung im Job ein in viele Richtungen ausschlaggebender Faktor ist, ist nicht neu. Unzählige Studien und Befragungen im letzten Jahrzehnt betonen die Wichtigkeit von Wertschätzung in Bezug auf Arbeitgeberattraktivität und Mitarbeiterbindung.
Schon 2013 stellte die Wirtschaftspsychologin Daniela Lohaus von der Hochschule Darmstadt gemeinsam mit Kollegen in einer Analyse von 37 Studien mit knapp 64.000 Befragten zum Thema Arbeitgeberattraktivität fest: die Faktoren Team- und Arbeitsklima stehen für die Befragten an erster Stelle, direkt gefolgt von der Art der Aufgabe. Aufstiegschancen und Entgelt rangierten hingegen auf den Plätzen 5 und 7. Zahlreiche Gallup Studien bestätigen in regelmäßgien Abständen die Wichtigkeit des Faktors Wertschätzung und der damit verbundenen Softskills im Führungsalltag.
Mich als überzeugte und leidenschaftliche Verfechterin, Beraterin und Coachin im Bereich Positive Psychologie und Positive Leadership überrascht das wenig. Tragen doch die Stimmung im Team, die Arbeitsatmosphäre und das Klima maßgeblich zu guten Gefühlen und guten Beziehungen am Arbeitsplatz bei, zwei wesentlichen Faktoren, auf denen das Führungskonzept PERMA-Lead fußt. Auch die Aufgabe auf Platz 2 entspricht dem Grundprinzip der Positiven Psychologie, nämlich dass wir aufblühen und uns zur Exzellenz entwickeln, wenn wir unsere Stärken leben können.
Nichtsdestotrotz gibt es noch immer genügend Führungskräfte und Unternehmen, die die Bedeutung des Faktors Wertschätzung geflissentlich ignorieren. Ihn als unwichtig, als Kuschelkurs oder Ähnliches abtun – schlicht und einfach als etwas, wofür in einem leistungsorientierten Team keine Zeit sei. Und das in Zeiten des immer gravierender werdenden Fachkräftemangels. Mutig!
Die Wirkung von Wertschätzung
Mangelnde Wertschätzung hat viele Auswirkungen, die alle etwas gemeinsam haben: sie kosten Unternehmen in unterschiedlicher Hinsicht sehr viel Geld.
Mangelnde Wertschätzung führt zu Frustration und Lustlosigkeit bei Mitarbeiter:innen, und das wirkt sich in der Regel direkt negativ auf deren Engagement und damit auf ihre Produktivität aus. Gleichzeitig erhöht der dadurch hervorgerufene Ärger, der oft mit nach Hause in die Freizeit genommen wird, nachweislich das Stresslevel. Das Abschalten wird behindert, im schlimmsten Fall kostet der Ärger, wenn er lange genug anhält, irgendwann den Schlaf. Die Folgen: stressbedingte Erkrankungen, Absentismus, innere Kündigung, Fluktuation. Gravierende Auswirkungen für etwas, das viele für ein überflüssiges Nice-to-Have halten.
Im Umkehrschluss könnte man sagen: WERTSCHÄTZUNG IST WERTSCHÖPFUNG, zumindest eine Form davon. Und damit definitiv ein Must-have. Denn Mitarbeiter:innen, die sich an ihrem Arbeitsplatz gewertschätzt fühlen, sind in der Regel engagiert und loyal, haben Lust, etwas beizutragen, sind hochmotiviert und produktiv.
Tatsächlich ist der Mangel an Wertschätzung, das Gefühl, nicht gesehen zu werden und der Frust darüber, keine Rückmeldung oder keinen Dank zu bekommen, ein häufiges Thema bei mir am Coachingtisch, wenn es um Themen der psychischen Gesundheit wie Erschöpfung, ungesunden Stress oder Ausgebranntsein geht. Und auch bei beruflichen Neuorientierungen gibt ein Mangel an Wertschätzung oft den Anstoß.
“People join companies and leave managers”?
Die Verantwortung für die Nicht-Wertschätzung wird häufig beim direkten Vorgesetzen gesucht. “People join companies and leave managers” lautet ein vielzitierter Satz, der in diesem Zusammenhang immer wieder gerne hervorgeholt wird und in Gallup-Studien der letzten Jahre auch regelmäßig bestätigt wurde. Er bringt auf den Punkt, dass Mitarbeiter:innen sich oft bei einer Firma bewerben, weil sie von deren Produkten oder ihrem Ruf angezogen werden, und diese dann wieder verlassen, weil sie enttäuscht sind von ihrem Arbeitsalltag unter ihrem Vorgesetzten.
Ja, der direkte Vorgesetzte hat den direktesten Kontakt zu den Mitarbeiter:innen und verantwortet Faktoren wie Kommunikation, Aufgabenverteilung, Feedbackkultur und psychologische Sicherheit im Team. Und tatsächlich mangelt es manchmal schlicht an der Wertschätzungs-, Kommunikations- oder Führungskompetenz der jeweiligen Führungskraft.
Doch Führungskräfte agieren im Sinne ihres Unternehmens und als verlängerter Arm der Geschäftsführung. Immer wieder erlebe ich im Coaching Führungskräfte, die die Kultur, die sie mit ihren Mitarbeiter:innen gerne leben würden, nicht leben können, da das Management andere Prioritäten von ihnen erwartet. Sie sitzen zwischen den Stühlen und leiden darunter. Oft suchen und finden sie dann Wege, um einen Mittelweg zu gehen, doch werden sie dabei gerne mal zerrieben und landen selbst in einer gefährlichen Stress-Falle.
Es ist fraglos wichtig, dass die einzelne Führungskraft einen wertschätzenden Umgang in ihrem Team pflegt. Doch es ist in der Verantwortung des Unternehmens, für eine Kultur der Wertschätzung zu sorgen und diese zu fördern.
Das geht zum einen durch die Schulung und Stärkung der Wertschätzungskompetenz ihrer Führungskräfte. Denn Wertschätzung hat nichts mit Lobhudelei zu tun. Für alle, die sich nun fragen “Wie zeige ich denn dann meinen Mitarbeiter:innen dann Wertschätzung?” Wertschätzungskompetenz hängt eng mit sozialer Kompetenz zusammen, Softskills wie aktives Zuhören, Respekt, Achtsamkeit, bewusste Wahrnehmung, Kommunikation, Dankbarkeit und Interesse sind gefragt.
Zum anderen braucht es eine wertschätzende Unternehmenskultur, die ihren Mitarbeiter:innen auf vielfältige Art und Weise zeigt: „Ihr und eure Kompetenz seid uns wichtig, wir wollen, dass ihr bleibt und mit uns an einem Strang zieht!“. Und dazu gehören Faktoren wie Gehalt und Kommunikation ebenso wie Weiterbildungsangebote und ein attraktives betriebliches Gesundheitsmanagement.
Sprechen Sie mich gerne an, wenn Sie die Wertschätzungskompetenz Ihres Führungsteams weiter entwickeln möchten, mehr über das Thema Positive Leadership wissen oder Ihre Gestaltungsmöglichkeiten im Bereich psychische Gesundheit am Arbeitsplatz ausloten möchten. Ich unterstütze Sie gerne auf Ihrem Weg!
Literatur:
Lohaus, D., Rietz, C. & Haase, S. (2013). Talente sind wählerisch - was Arbeitgeber attraktiv macht. Wirtschaftspsychologie aktuell, 20(3), 12-15.
Nolan, Tom: The No. 1 Employee Benefit That No One's Talking About. https://www.gallup.com/workplace/232955/no-employee-benefit-no-one-talking.aspx